„ ‚Forward for Good‘ unterstreicht unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und den Weg von OMV zu einem Netto-Null-Unternehmen.“
Ein Gespräch mit Alfred Stern, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor von OMV
Wie war das Jahr 2024 für OMV?
Ich bin stolz darauf, dass das Team OMV trotz eines volatilen Marktumfelds starke Ergebnisse erzielen konnte. Wir erreichten 2024 das viertbeste Finanzergebnis in der Geschichte unseres Unternehmens und stellten damit die Stärke unseres integrierten Geschäftsmodells unter Beweis.
Können Sie uns einen kurzen Überblick über das Jahresergebnis 2024 von OMV geben?
Der Konzernumsatz belief sich auf 34 Milliarden Euro, und unser CCS Operatives Ergebnis vor Sondereffekten lag bei 5,1 Milliarden Euro. Alle drei Geschäftsbereiche leisteten dazu positive Beiträge, wobei Chemicals eine besonders deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahr erzielte. Der Cashflow aus der Betriebstätigkeit inklusive Net-Working-Capital-Positionen betrug 5,5 Milliarden Euro. Dies verschafft uns eine solide Basis für unsere Dividende und die strategischen Investitionen, mit denen wir unser Wachstum und unsere Transformation vorantreiben.
Es gibt also neuerlich gute Nachrichten für die OMV Aktionär:innen?
Ganz genau. In diesem Jahr schlagen wir eine reguläre Dividende von 3,05 Euro je Aktie und eine zusätzliche Dividende von 1,70 Euro je Aktie vor, was eine Gesamtdividende von 4,75 Euro je Aktie ergibt. Damit haben wir unsere reguläre progressive Dividende seit 2015 verdreifacht. Wir lassen unsere Aktionär:innen auch weiterhin an unserem Erfolg teilhaben und bekräftigen gleichzeitig unser Commitment zu finanzieller Widerstandsfähigkeit und nachhaltigem Wachstum. Die Ausschüttung wird 28 Prozent unseres Cashflows aus der Betriebstätigkeit ausmachen und steht im Einklang mit unserer attraktiven Ausschüttungspolitik für Aktionär:innen, die wir seit 2022 verfolgen.
Welche wichtigen Fortschritte konnte OMV bei der Umsetzung seiner Strategie 2030 erzielen?
Zur Umsetzung unserer Strategie 2030 gibt es viel Positives zu berichten. Der Transformationsprozess von OMV gewinnt an Dynamik, und mit unseren strategischen Projekten stellen wir die Weichen für eine bessere Energieversorgung für Europa und eine nachhaltigere Zukunft. Das Projekt Neptun Deep in Rumänien liegt im geplanten Zeit- und Kostenrahmen, alle wichtigen Ausführungsverträge wurden vergeben und 90% des Ausführungsbudgets sind zugeteilt. Bei unserem Joint Venture Baystar in den USA konnten wir 2024 weitere betriebliche Verbesserungen verzeichnen. Darüber hinaus machten wir im August in der Norwegischen See mit „Haydn/Monn“ einen bedeutenden Gasfund.
Außerdem starteten 2024 die Bohrarbeiten für die erste Geothermieanlage im Rahmen unseres Joint Ventures „deeep“. Mit dieser Anlage wollen wir bis 2028 rund 20.000 Wiener Haushalte mit klimaneutraler Wärme versorgen. Ein weiterer wichtiger Erfolg ist die Fertigstellung unserer neuen ReOil®-Anlage mit einer Kapazität von 16.000 Tonnen in der Raffinerie Schwechat bei Wien. Mit unserer innovativen Technologie für das chemische Recycling können wir Altkunststoffe verarbeiten, die andernfalls auf Deponien entsorgt oder der Verbrennung zugeführt würden. Auch unser Geschäft mit nachhaltigem Flugkraftstoff, kurz SAF, bauen wir weiter aus. Bei OMV produzieren wir SAF aus Altspeiseöl bereits seit 2022. Mittlerweile beliefern wir große Fluggesellschaften wie Ryanair, und vor Kurzem unterzeichneten wir eine Kooperationsvereinbarung mit Airbus. Im Jahr 2024 fiel auch unsere finale Entscheidung, in der Raffinerie Petrobrazi in Rumänien in nachhaltige Kraftstoffe zu investieren. Die Bauarbeiten starteten im Februar dieses Jahres. Wie Sie sehen, ist OMV auf einem guten Weg – und für 2025 dürfen wir uns einiges mehr erwarten.
Der Transformationsprozess von OMV gewinnt an Dynamik, und mit unseren strategischen Projekten stellen wir die Weichen für eine bessere Energieversorgung für Europa und eine nachhaltigere Zukunft.

Welche Meilensteine des Jahres 2024 betrachten Sie als besonders erwähnenswert?
2024 war ein weiteres ereignisreiches Jahr: OMV beendete seinen langfristigen russischen Gasliefervertrag – und schlug damit ein neues Kapitel in unserer Unternehmensgeschichte auf. Dieser wichtige Schritt im Rahmen unserer Diversifizierungsstrategie stärkt unser Gasbezugsportfolio mehr denn je. Zu verdanken haben wir dies der hervorragenden Arbeit unserer Gas-Taskforce, die im März 2022 eingerichtet wurde. Die Gruppe arbeitete intensiv an der Sicherung der langfristigen Energieversorgung für unsere Kund:innen. Unsere Prioritäten dabei waren klar: erstens die Sicherstellung der Versorgung für unsere Kund:innen, zweitens die Wahrung der finanziellen Stabilität von OMV und drittens die Entwicklung eines strategischen Fahrplans für die kommenden Jahre. Ich möchte aber auch einen anderen wichtigen Meilenstein ansprechen, der vielleicht weniger sichtbar war: die Aktualisierung des OMV Code of Conduct, der nun auch für Arbeitskräfte in unserer Wertschöpfungskette gilt.
Ist es richtig, dass Erdgas ein wichtiger Bestandteil des Energieportfolios von OMV bleiben wird?
Ja. Alles deutet darauf hin, dass Europa bis mindestens 2050 ein Netto-Gasimporteur bleiben wird. Daher ist es unerlässlich, die Bezugsquellen weiter auszubauen und zu diversifizieren. Durch die Nutzung lokaler Ressourcen hat OMV die Möglichkeit, die Importmengen zu unterstützen und zu reduzieren. Das ist der beste Weg, um die Deckung des derzeitigen Energiebedarfs sicherzustellen und gleichzeitig die Abhängigkeiten von externen Faktoren zu verringern sowie die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft während des Übergangs zu einer CO2-armen Zukunft aufrechtzuerhalten.
Wie kann OMV dazu beitragen?
OMV leistet einen aktiven Beitrag zur Energiesicherheit in Europa, indem wir für sichere, leistbare und nachhaltige Energie sorgen. Ein Beweis für unser diesbezügliches Engagement sind unsere eigenen Gasförderaktivitäten in Norwegen, Österreich und Rumänien. Das Projekt Neptun Deep wird Rumänien zu einem der größten Gasproduzenten in der EU machen.
OMV führte 2024 eine neue Markenidentität ein. Welche Rolle spielt das Rebranding von OMV bei der Transformation und für die Zukunftsvision des Unternehmens?
Wir durchlaufen gerade die größte Transformation in der Geschichte unseres Unternehmens und haben daher unsere Markenidentität erneuert, damit sie unser Engagement für die Gestaltung einer nachhaltigeren und kreislauforientierten Zukunft widerspiegelt. Unser Claim „Forward for Good“ unterstreicht unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und den Weg von OMV zu einem Netto-Null-Unternehmen. Durch die Implementierung der neuen visuellen Identität an allen OMV Touchpoints – einschließlich der rund 1.000 Tankstellen in sieben Ländern – stellen wir ein einheitliches und wiedererkennbares Erscheinungsbild sicher, das unsere Transformation begleitet. Insgesamt ist die Markenidentität ein sehr wirksames Instrument, um den strategischen Wandel von OMV zu kommunizieren und unsere Position als führendes Unternehmen für nachhaltige Energielösungen zu stärken.
OMV hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt, aber die globale Stimmung scheint in eine andere Richtung zu gehen. Wie sehen Sie das?
Wir halten an unseren Zielen fest: Der Plan sieht bis 2030 ein Emissionsreduktionsziel von 30 Prozent bei unseren eigenen Tätigkeiten (Scope 1 und 2) und ein Reduktionsziel von 20 Prozent beim Produktportfolio (Scope 3) vor. Bis 2050 wollen wir Netto-Null-Emissionen erreichen. Diese Transformation ist sowohl eine große Herausforderung als auch eine Chance für Innovation. Klimaschutz muss wirtschaftlich tragfähig sein: Unternehmen und Investor:innen erwarten, dass nachhaltige Projekte nicht nur der Umwelt zugutekommen, sondern auch rentabel sind. Wenn wir bei OMV neue nachhaltige Lösungen entwickeln, rechnen wir mittelfristig mit zweistelligen Renditen. Das bedeutet zwar, dass wir nicht jedes Projekt umsetzen können, nur weil es die CO2-Emissionen reduziert, aber durch nachhaltige Lösungen können wir die künftige Rentabilität von OMV und die Transformationsfähigkeit unseres Unternehmens sicherstellen.
Was bewog OMV zur Aktualisierung seines Code of Conduct und was sind die wichtigsten Änderungen?
Unser Code of Conduct wurde aktualisiert, um ihn an unsere Strategie 2030 und an neue regulatorische Anforderungen anzupassen, wie etwa die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette oder bewährte Verfahren im Nachhaltigkeitsmanagement. Wir haben unsere bestehenden Commitments untermauert, insbesondere im Zusammenhang mit Klimawandel und Menschenrechten, und neue Commitments eingeführt, um aktuelle wesentliche Themen aufzugreifen, wie zum Beispiel biologische Vielfalt und Ökosysteme oder die Rechte und das Wohlergehen der Arbeitskräfte in unserer Wertschöpfungskette. Diese Commitments sind für unsere Geschäftstätigkeit und unseren anhaltenden Erfolg von grundlegender Bedeutung.
Bitte erzählen Sie uns auch von dem neuen SpeakUp-Kanal von OMV.
Jede Person hat ein Recht auf ein professionelles, sicheres und inklusives Arbeitsumfeld, in dem es keine Diskriminierung oder Belästigung gibt. Unser SpeakUp-Kanal, den wir im Oktober 2024 eingeführt haben, bietet unseren Arbeitnehmer:innen und den Arbeitskräften in unserer Wertschöpfungskette eine sichere und anonyme Möglichkeit, arbeitsbezogene Beschwerden über unsere OMV Integrity Platform zu melden. Ziel ist es, arbeitsbezogenes Fehlverhalten aufzudecken und dagegen vorzugehen. Auf diese Weise wollen wir eine Kultur der Transparenz, der Verantwortlichkeit und des Vertrauens fördern.
Sie haben kürzlich die Gründung der Borouge Group International bekannt gegeben. Wie passt dies in die langfristige Strategie von OMV?
Der Zusammenschluss von Borealis, Borouge und NOVA Chemicals zur Borouge Group International ist ein zentraler Pfeiler unserer Strategie 2030. Wir beschleunigen unsere verantwortungsvolle Transformation und unseren Weg zu einem integrierten, nachhaltigen Chemie-, Kraftstoff- und Energieunternehmen. Das ist ein Gamechanger für uns und die gesamte Branche. Heute haben wir mit Borealis ein wertvolles Unternehmen, das in Europa fest verankert ist. Mit der Borouge Group International werden wir an einem globalen Marktführer, dem viertgrößten Polyolefin-Unternehmen der Welt, beteiligt sein. Das ist etwas, dass wir mit unserem langjährigen Partner ADNOC erreicht haben.
Auch dieser Bericht stellt eine wichtige Veränderung dar. Was halten Sie vom neuen kombinierten Bericht von OMV?
Für OMV ist das ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Durch die Zusammenführung finanzieller und nicht finanzieller Informationen in einem kombinierten Bericht bieten wir unseren Interessenträger:innen einen vollständigen Überblick über unsere Performance. Dies erhöht die Transparenz und unterstreicht unser Engagement für beides – den finanziellen Erfolg und die Nachhaltigkeit. Indem wir die Erfahrung unserer Finanz- und Nichtfinanzteams nutzen, stärken wir unsere datenbasierten Prozesse und Kontrollen, um die Transparenz und Zuverlässigkeit unserer Berichterstattung zu gewährleisten – ganz im Sinne von „Forward for Good“.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Stern.
Wien, am 20. März 2025
Alfred Stern e.h.