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Marktausblick

Die Inflation und der erhebliche Rückgang der Verfügbarkeit russischer Güter, insbesondere von Erdgas, nach dem Wegfall nahezu aller russischen Lieferungen nach Europa waren die Hauptursachen für den signifikanten Anstieg der weltweiten Energiepreise im Jahr 2022. Dies führte laut IEA zur „ersten globalen Energiekrise“ und verstärkte den Anreiz für Europa, seine Energieversorgung weiter zu diversifizieren und zu dekarbonisieren. Durch die hohen Preise, insbesondere für Gas und Strom, rückte das Thema der Versorgungssicherheit wieder in den Fokus.

Das Jahr 2022 bedeutete für die Energiemärkte eine Wende. Verbraucher:innen und Zentralbanken in aller Welt sahen sich bereits Ende 2021/Anfang 2022 mit den Herausforderungen einer rasant steigenden Inflation konfrontiert, bevor sich die Lage infolge des Einmarschs Russlands in der Ukraine Ende Februar 2022 weiter verschärfte. Der erhebliche Rückgang der Verfügbarkeit russischer Energie, insbesondere von Erdgas, nach dem Wegfall nahezu aller russischen Lieferungen nach Europa war eine der Hauptursachen für den signifikanten Anstieg der weltweiten Energiepreise im Jahr 2022. Folglich gehörten Energieprodukte zu den wenigen Anlageklassen, die 2022 Gewinne verbuchen konnten, da die Inflation und die bald darauf folgenden Zinserhöhungen der Zentralbanken zu massiven Verkäufen risikoreicherer Assets führten. Damit ging die jahrelange Hausse auf den Aktienmärkten zu Ende.

Die Entwicklungen auf den Energiemärkten im Jahr 2022 wurden von Fatih Birol von der Internationalen Energieagentur (IEA) als die „erste globale Energiekrise“ bezeichnet. Erdgas erreichte in Europa im Durchschnitt ein Mehrfaches seines Werts der letzten Jahre. Dies hat speziell für Europa den Anreiz verstärkt, die Energieversorgung weiter zu diversifizieren und zu dekarbonisieren – eine Dringlichkeit, die sich in der politischen Landschaft des Jahres 2022 widerspiegelte. Insbesondere das Programm REPowerEU und der Inflation Reduction Act in den USA werden in den kommenden Jahren eine signifikant höhere Versorgung aus erneuerbaren Quellen ermöglichen und finanzielle Unterstützung für den Ausbau sauberer Energie bieten.

Das Ziel, bis zur Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Emissionen zu erreichen, wird mittlerweile von mehr Regierungen und Unternehmen als je zuvor geteilt. Bis Ende 2022 hatten sich Länder, die mehr als 90% des weltweiten repräsentieren, zu Netto-Null-Emissionen verpflichtet – dem Net Zero Tracker der Universität Oxford zufolge um 10 Prozentpunkte mehr als Ende 2021. Der Anteil der erfassten Emissionen hat sich im Vergleich zu 2021 um schätzungsweise 6 Prozentpunkte auf 83% erhöht. Dieser Trend ist zwar ermutigend, doch die Hürden auf dem Weg zu Netto-Null sind nach wie vor hoch.

Insbesondere durch die Ereignisse des Jahres 2022 und die damit einhergehenden hohen Preise, vor allem für Gas und Strom, rückte das Thema der Versorgungssicherheit wieder in den Fokus. Die europäische Erdgasinfrastruktur wird derzeit zügig umgerüstet, um von einer hohen Abhängigkeit von Pipeline-Importen von Gas aus dem Osten zu einem stärker diversifizierten Portfolio überzugehen, das auch viel größere Mengen von auf dem Seeweg transportiertem aus dem globalen Markt umfasst. Die Dringlichkeit, die Grundversorgung von Verbraucher:innen und Unternehmen mit Energie sicherzustellen, hatte im Jahr 2022 Vorrang vor langfristigen Dekarbonisierungszielen, und es ist durchaus möglich, dass dies in den nächsten Jahren weiterhin der Fall sein wird. Damit einhergehende Trends, wie etwa die wiederauflebende Nachfrage nach Kohle für die Stromerzeugung und die daraus resultierende höhere Emissionsintensität, könnten ebenfalls wiederkehren. Ende 2022 beschäftigte die politischen Entscheidungsträger:innen die Frage, wie schwerwiegend die Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs 2023 insbesondere in Europa sein würden, wo viele Beobachter:innen auf eine existenzielle Bedrohung für die Überlebensfähigkeit der regionalen Produktionsstandorte hingewiesen hatten.

Die OMV geht auf mittel- und langfristige Sicht davon aus, dass sich die Struktur von Energieangebot und ‑nachfrage drastisch verändern wird, da die Maßnahmen zur Dekarbonisierung von Stromerzeugung, Verkehr, Industrie und anderen CO2-intensiven Sektoren der globalen Wirtschaft unterschiedlich schnell erfolgen und mit unterschiedlichem Erfolg greifen. Ein gangbarer Weg zu einem globalen Netto-Null-Energiesystem bis zur Mitte des Jahrhunderts muss ein breites Spektrum an Technologien umfassen, die anstelle der traditionellen fossilen und biomassebasierten Energieträgern eingesetzt werden. Laut der jüngsten Aktualisierung des IEA-Szenarios „Netto-Null-Emissionen bis 2050“ sollte bis 2050 kein einzelner Energieträger mehr als ein Viertel der gesamten Primärenergieversorgung ausmachen.

Auf globaler Ebene besteht nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Versprechen zur Emissionsreduzierung und den tatsächlich umgesetzten Maßnahmen. Im Vergleich zu 2021 haben zusätzliche angekündigte Zusagen zur Emissionsreduktion aus Indien und Indonesien dazu beigetragen, die wahrgenommene Lücke zwischen angekündigten Zusagen und einem Netto-Null-Energiesystem zu verringern. Dennoch bleibt eine erhebliche Unsicherheit bestehen. Dies spiegelt sich in der Bandbreite der modellierten Anteile der verschiedenen Energieträger im jüngsten World Energy Outlook der IEA wider: Laut Netto-Null-Szenario werden Öl und Gas Ende dieses Jahrzehnts nur noch 46% der gesamten globalen Primärenergieversorgung ausmachen (gegenüber 53% im Jahr 2021). Im Stated Policies Scenario (STEPS) der IEA bleibt diese Zahl jedoch bis 2030 im Wesentlichen unverändert und fällt erst zur Mitte des Jahrhunderts auf 47%.

Die auf bereits festgelegten Richtlinien und angekündigten Zusagen beruhenden IEA-Szenarien gehen davon aus, dass die Ölnachfrage mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts stabil bleiben wird. (Diese Szenarien basieren auf durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von 0,8% bzw. 0,2% bis zum Ende dieses Jahrzehnts für die gesamte globale Energieversorgung.) Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Unterinvestition in die vorgelagerte Öl- und Gasproduktion für das Energiesystem insgesamt weiter von Relevanz. Mehrere Analysen haben gezeigt, dass die Investitionen in Exploration und Produktion bislang nicht auf die für frühere Rohstoffzyklen charakteristische Weise auf die deutlichen Preissteigerungen bei Öl und Gas reagiert haben, die seit dem Tiefpunkt des pandemiebedingten Preisverfalls Mitte 2020 zu beobachten waren.

Gesamtangebot an Primärenergie weltweit

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Gesamtangebot an Primärenergie weltweit (Balkendiagramm)

Quelle: IEA World Energy Outlook 2022

Trotz dieser Faktoren bleiben die langfristigen Annahmen weitgehend unverändert. Dies gilt zum Beispiel für die Erwartung, dass die fortgeschrittenen Volkswirtschaften mittel- und langfristig die deutlichsten negativen Wachstumstrends bei fossilen Brennstoffen verzeichnen werden. Den Prognosen der IEA zufolge geht die Ölnachfrage in der EU schneller zurück als in allen anderen großen Ländern oder Regionen. Eine Ausnahme in den Szenarien ist lediglich Japan. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate; ) des Erdölverbrauchs in der EU für den Zeitraum 2021–2030 beträgt im STEP-Szenario –2% und sinkt im Announced Pledges Scenario (APS) auf –3,8%. Für China, den Motor des weltweiten Anstiegs der Nachfrage nach Erdöl in den letzten zwei Jahrzehnten, wird bis 2030 selbst laut STEPS eine CAGR der Ölnachfrage von weniger als 1% erwartet.

Abgesehen von dem festgefahrenen Trend des Nachfragerückgangs auf dem Binnenmarkt ist sehr wahrscheinlich davon auszugehen, dass die europäische Raffinerieindustrie mit anhaltendem Gegenwind in Form höherer Energie- und Brennstoffkosten im Vergleich zu anderen Raffineriezentren, insbesondere in den USA und im Mittleren Osten, rechnen muss. Auch wenn sich diese höheren Kosten bis zu einem gewissen Grad durch höhere Marktpreise für Raffinerieprodukte kompensieren lassen, könnten sie die europäische Wettbewerbsfähigkeit dennoch beeinträchtigen. Zwischenzeitlich ist man sich hinsichtlich der Annahmen zur Nachfrage weiterhin einig, dass jene Unternehmen einen Marktvorteil haben werden, die auf eine integrierte Produktion von petrochemischen Produkten verweisen können. Bemerkenswert ist, dass selbst im „Netto-Null-Emissionen bis 2050“-Szenario der IEA die Nachfrage nach Öl für die nicht energetische Nutzung bis 2050 um nur 6% verglichen mit dem Niveau von 2021 zurückgeht (gegenüber einem Rückgang der Ölnachfrage von insgesamt fast 80%).

Globale Nachfrage nach petrochemischen Produkten1

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Weltweite Nachfrage nach petrochemischen Produkten (Balkendiagramm)

Quelle: Chemical Market Analytics von OPIS, einem Unternehmen von Dow Jones
1 Ethylen und Propylen

Die Ölnachfrage für die chemische Produktion wird aufgrund einer steigenden Nachfrage in Schwellenländern und der engen Verknüpfung mit der BIP-Entwicklung voraussichtlich zunehmen. Bis 2030 wird die Ölnachfrage für die chemische Produktion um etwa 2% pro Jahr steigen. Etwa 80% des Wachstums der Nachfrage nach chemischen Produkten und Kunststoffen werden sich bis 2030 und darüber hinaus auf Schwellenländer, vor allem in Asien, konzentrieren. Auf diese Region entfällt der größte Teil des weltweiten Bevölkerungswachstums und damit des entsprechenden Potenzials zur Verbesserung des Lebensstandards. Die Nachfrage in gesättigten Märkten wie Europa, Nordamerika und Japan dürfte langfristig im Einklang mit der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt gesund bleiben, die Wachstumsraten werden sich jedoch voraussichtlich verlangsamen.

Globale Nachfrage nach Polyolefin-Neuware

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Weltweite Nachfrage nach Polyolefin-Neuware (Balkendiagramm)

Quelle: Chemical Market Analytics von OPIS, einem Unternehmen von Dow Jones

Polyolefine sind das größte Marktsegment bei der Herstellung von Kunststoffprodukten. Die Nachfrage nach Polyolefin-Neuware wird bis 2030 – angekurbelt durch den asiatischen Markt – weiterhin stärker als das globale BIP wachsen. Polyolefine werden für verschiedene Branchen, darunter Verpackungen, Bauwesen, Transport, Healthcare, Pharmazeutika und Elektronik, auch künftig unverzichtbar sein.

Globale Nachfrage nach recycelten Polyolefinen

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Weltweite Nachfrage nach recycelten Polyolefinen (Balkendiagramm)

Quelle: Chemical Market Analytics von OPIS, einem Unternehmen von Dow Jones

Der wichtigste Erfolgsfaktor für mittel- bis langfristig nachhaltige Geschäftsmodelle ist das Wachstum bei erneuerbaren Rohstoffen und Biokunststoffen sowie die Entwicklung von kreislauffähigen Lösungen. Es wird erwartet, dass die Nachfrage nach recycelten Polyolefinen bis 2030 deutlich stärker wachsen wird als das globale BIP, wobei Asien den größten Anteil ausmachen wird.

In den nächsten zehn Jahren wird sich die Kunststoffindustrie vor allem auf die kontinuierliche Verbesserung der Abfallsammlung, die Entwicklung neuer Kunststoffe und deren Anwendungen für eine bessere Wiederverwertbarkeit und die Verbesserung von Recyclingtechnologien konzentrieren. Die weltweiten Recyclingquoten werden sich bis 2030 voraussichtlich fast verdreifachen.

Die OMV verwendet für zukünftige Markteinschätzungen zwei Szenarien, die sich für 2022 wie folgt umreißen lassen:

  1. In einem Grundszenario wird davon ausgegangen, dass die -Volkswirtschaften einen aggressiveren Dekarbonisierungspfad verfolgen, als es das Announced Pledges Scenario der IEA skizziert, jedoch hinsichtlich der Ölnachfrage auf dem Netto-Null-Pfad zurückbleiben, während die Nicht-OECD-Volkswirtschaften im Einklang mit den angekündigten Zusagen vorankommen.
  2. In einem Stressszenario wird eine schnellere Abkehr von fossilen Brennstoffen angenommen als im Sustainable Development Scenario des IEA-Berichts 2021, wenn auch nicht so aggressiv wie im „Netto-Null-Emissionen bis 2050“-Szenario dargestellt. Dieses Stressszenario skizziert einen Verlauf für den Rückgang der Ölnachfrage, der der Obergrenze des in den UN-Klimazielen von Paris vorgesehenen Temperaturanstiegs entsprechen würde, wobei Netto-Null im globalen Energiesystem zwischen 2050 und 2070 erreicht würde.

Details zu den mit dem Klimawandel verbundenen Risiken und deren Management finden Sie im Kapitel Risikomanagement und in der Anhangangabe 2 im Konzernabschluss, sowie im OMV Nachhaltigkeitsbericht.

Hinweis: In ihrem World Energy Outlook 2022 ließ die IEA das Sustainable Development Scenario (SDS) unberücksichtigt, das in der Vergangenheit von der OMV als Referenz verwendet wurde. Hinsichtlich der kumulativen Emissionen für das globale Energiesystem ist das SDS am ehesten mit dem Announced Pledges Scenario (APS) vergleichbar.

BIP
Bruttoinlandsprodukt
LNG
Liquefied Natural Gas; Flüssigerdgas
CAGR
Compounded Annual Growth Rate; durchschnittliche jährliche Wachstumsrate
Mio
Million, Millionen
OECD
Organisation for Economic Cooperation and Development; Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung