Vorwort des Vorstandsvorsitzenden
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
die OMV hat im vergangenen Geschäftsjahr ihre hohe Ertragskraft neuerlich unter Beweis gestellt und mit einem Jahresüberschuss von 2,1 Milliarden Euro das höchste Nettoergebnis ihrer Geschichte erzielt. Und das in einem äußerst herausfordernden Marktumfeld. Der Weg dorthin war schwierig, die Formel ist aber einfach: Wir haben mehr produziert, mehr verkauft – und die Kosten reduziert. Grundlage dieses Erfolgs ist eine konsequent verfolgte Strategie, vor allem aber das Engagement und die Leistungsfähigkeit der rund 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die weltweit für die OMV im Einsatz sind.
"Wir werden die Wertschöpfungskette des Öls über die Petrochemie hinaus bis zum Recycling verlängern."
RAINER SEELE
Vorstandsvorsitzender
Weichenstellungen für die Zukunft
Während dieser Bericht auch zurückblickt und das vergangene Geschäftsjahr beleuchtet, möchte ich nach vorne schauen. Angesichts des Klimawandels, der für uns alle – für Politik, Gesellschaft und Unternehmen – eine ernst zu nehmende Herausforderung ist, der wir uns stellen und für die wir rasch Lösungen entwickeln müssen, möchte ich mich in aller Klarheit zwei Fragen widmen. Wird die Geschäftsgrundlage der OMV erhalten bleiben oder wird sie sich verändern? Und: Werden wir auch in Zukunft so erfolgreich sein wie heute? In einer Frage bin ich sicher, in der anderen überzeugt. Zum einen können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich die Geschäftsgrundlage der OMV im Zuge der Energiewende verändern wird. Fossile Energieträger werden morgen eine andere Rolle spielen als heute. Zum anderen bin ich davon überzeugt, dass die OMV die sich ändernden Rahmenbedingungen aktiv nutzen wird. Denn wir haben bereits entsprechende Weichenstellungen vorgenommen und können überdies auf die hohe Innovationskraft des Unternehmens bauen.
Die Märkte entwickeln sich unterschiedlich
Die Energiewende wird sich in den verschiedenen Märkten und Sparten anders und unterschiedlich schnell vollziehen. Während die Nachfrage nach fossilen Energien in Europa zurückgeht, wird sie in den wachsenden Märkten Asiens, des Mittleren Ostens und Afrikas steigen. Mit unserer Ölproduktion sowie unserer Raffineriebeteiligung und unserem Trading Joint Venture in Abu Dhabi, aber auch mit unserer Gasproduktion in Malaysia sind wir bestens auf diese Marktchancen vorbereitet. Andererseits wird der Schwer-, Schiffs- und Flugverkehr auch in Europa auf flüssige Treibstoffe kurz- und mittelfristig nicht verzichten können. Daher werden wir mit dem Co-Processing biogener Anteile und der künftigen Entwicklung synthetischer Treibstoffe einen wesentlichen Beitrag zu einer CO2-ärmeren Zukunft leisten.
Erdgas – die schnelle Lösung und der langfristige Partner
Neben mittel- bis langfristig wirksamen Innovationen benötigen wir in der Energiewende auch kurzfristig wirksame Lösungsansätze. Einer davon ist der verstärkte Einsatz von Erdgas in der Mobilität, insbesondere aber in der Stromerzeugung, wodurch die CO2-Emissionen sofort deutlich gesenkt werden könnten. Gas ist aber nicht nur ein kurzfristiger Kohleersatz, sondern der perfekte langfristige Partner für erneuerbare Energien, da unvermeidliche Schwankungen der Ökostromerzeugung durch Gaskraftwerke rasch ausgeglichen werden können, wodurch die Versorgungssicherheit gewährleistet wird. Ich bin überzeugt, dass Erdgas in der Energiewende eine wesentliche Rolle spielen wird. Wir als OMV tragen dem insofern Rechnung, als wir den Gasanteil in unserem Portfolio Schritt für Schritt weiter erhöhen.
Vom Rohstoff Öl zum hochwertigen Produkt
Ungeachtet der Tatsache, dass die Bedeutung von Öl als Energieträger sinken wird, ist und bleibt Erdöl ein höchst wertvoller Rohstoff. Öl ist ein zentraler Baustein der chemischen Industrie und damit ein integraler Bestandteil unserer Zivilisation, unseres Wohlstands und unseres Wohlergehens. Hochwertige Produkte des Alltags – vom Kleidungsstück über das Notebook bis zum Smartphone – sowie leichte, belastbare und sichere Materialen für die Automobil- oder Flugzeugindustrie haben ebenso Erdöl als Ausgangsstoff wie lebenswichtige Medikamente und eine Vielzahl anderer Medizinprodukte. Die OMV Raffinerien haben bereits heute einen hohen Integrationsgrad mit der Petrochemie, und wir werden entsprechend unserer Strategie die Wertschöpfungskette in Richtung Chemie weiter ausbauen. Ein konkretes Beispiel dafür ist der im vergangenen Jahr begonnene Ausbau des Petrochemiebereichs in unserer Raffinerie Burghausen in Deutschland. Dort entsteht zurzeit eine ISO-C4-Anlage, die ab dem vierten Quartal dieses Jahres hochreines Isobuten herstellen wird – ein Grundstoff für wesentliche chemische Produkte wie Klebstoffe, Schmiermittel, aber auch Vitamin C.
Recycling – Umweltschutz und Geschäftsmodell
Wie bei allen Gegenständen des täglichen Bedarfs stellt sich auch bei Kunststoffen die Frage: Was tun wir mit ihnen am Ende ihrer Lebensdauer? Die OMV hat mit dem ReOil®-Verfahren eine hochwertige Recyclingmethode entwickelt, mit der Altkunststoffe in „synthetisches Rohöl“ umgewandelt werden, das wiederum zu Treibstoffen bzw. petrochemischen Grundbestandteilen weiterverarbeitet werden kann. Es handelt sich dabei um ein chemisches Recycling ohne Qualitätsverlust, durch das Plastik am Ende eines Produktzyklus nicht zu Müll, sondern zu einem wertvollen Rohstoff wird. Damit verlängern wir die Wertschöpfungskette des Öls über die Petrochemie hinaus bis zum Recycling. Zugleich zeigt diese Technologie, dass Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen können, und sie ist ein vitales Zeichen für die Innovationskraft unserer Industrie und des Unternehmens OMV. Wir haben im vergangenen Jahr mit unserer ReOil®-Pilotanlage in der Raffinerie Schwechat große Fortschritte gemacht und sind zuversichtlich, diese bis 2025 zu einem wirtschaftlich voll nutzbaren, industriellen Maßstab ausbauen zu können.
Wir können CO2 nutzen
Die Kreislaufwirtschaft spielt in den Überlegungen der OMV eine wesentliche Rolle – auch im Hinblick auf CO2. Wir sollten das CO2-Molekül nicht dämonisieren, wir müssen mit ihm arbeiten – und wir können das auch. So untersuchen wir beispielsweise Technologien, die CO2 zum Energieträger Methan bzw. zu Methanol – einem wichtigen Chemierohstoff – weiterverarbeiten und wirtschaftlich nutzen können. Darüber hinaus erforschen wir Möglichkeiten der unterirdischen Speicherung von CO2. Der Einsatz dieser Technologien setzt aber rechtliche Rahmenbedingungen voraus, die beispielsweise in Österreich noch nicht gegeben sind. Allerdings gibt es dazu positive Signale aus der Europäischen Kommission, die im kürzlich vorgestellten „Green Deal“ den Nutzen und das Potenzial dieser Technologie erkennt und sie fördern möchte. In unserer langfristigen Strategie arbeiten wir außerdem an verschiedenen Möglichkeiten der Wasserstoffnutzung – in der Mobilität ebenso wie in der Industrie. Denn ich bin überzeugt, dass Wasserstoff im Energiemix der Zukunft eine zentrale Rolle spielen wird.
Die Rahmenbedingungen für unser Geschäft werden sich ändern. Die OMV orientiert sich daran und wird die Chancen dieser Veränderung nutzen. Wir werden die Wertschöpfungskette deutlich verlängern und Geschäftsmodelle entwickeln, die einen Beitrag zu einer CO2-ärmeren Zukunft leisten und zugleich den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens sicherstellen werden. Die ersten Weichen haben wir bereits gestellt. Es gibt 20.000 Gründe, sich auf die Zukunft zu freuen. Herzlichen Dank für Ihr Vertrauen in Ihre OMV.
Wien, am 11. März 2020
Rainer Seele e.h.