Vorwort des Generaldirektors

Ein Gespräch mit Alfred Stern, Vorstands­vorsitzender und Generaldirektor der OMV

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Weitere Informationen finden Sie in der Videoaufzeichnung des Gesprächs mit Alfred Stern in unserem Online-Bericht.

Alfred Stern — Chief Executive Officer (portrait)

“Während die heutigen Energiepreise Unternehmen dazu verleiten könnten, so weiterzumachen wie bisher, entwickeln wir künftige Geschäftsfelder, die mit nachhaltigeren Produkten und Dienstleistungen neue Einnahmen bringen werden.”

Herr Stern, Sie sind gerade aus Davos zurückgekehrt, wo Greta Thunberg und andere Klimaaktivist:innen einen offenen Brief an die Führungskräfte von Öl- und Gas­unternehmen gerichtet haben. Was denken Sie darüber?

Ich kann die Frustration verstehen, denn obwohl wir bei der Energiewende Fortschritte machen, kommen wir nicht schnell genug voran. Dies hat die Auswirkungen des Klimawandels verschärft und spiegelt sich auch im regulatorischen Rahmen wider. Rational betrachtet kann es sich die OMV nicht leisten, weiterhin dasselbe Geschäftsmodell zu verfolgen. Wir müssen uns radikal verändern. Gleichzeitig kann diese Veränderung leider nicht von heute auf morgen erfolgen, da wir eine enorme Verantwortung gegenüber Millionen von Kund:innen haben, die sich darauf verlassen, dass wir sichere, erschwingliche und zunehmend nachhaltige Energie liefern. Das ist das „Energie-Trilemma“, das wir lösen müssen.

Apropos „Energie-Trilemma“: Wie will die OMV angesichts der anhaltenden globalen Energiekrise ihr Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen und gleichzeitig ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Kund:innen und der Umwelt nachkommen?

Die sich seit Anfang 2022 zuspitzende Russland-Ukraine-Krise spielte eine entscheidende Rolle bei der Neuausrichtung der Zukunft der globalen Energiemärkte und der Beschleunigung der Energiewende. Auch wenn die heutigen Energiepreise Unternehmen dazu verleiten mögen, so weiterzumachen wie bisher, wollen wir die Produktion fossiler Kraftstoffe schrittweise reduzieren und bis spätestens im Jahr 2050 vollständig einstellen.

Unsere Strategie, die unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit entwickelt wurde, berücksichtigt die Diskrepanz zwischen dem heutigen akuten Energiebedarf und den langfristigen Investitionen, die für eine nachhaltige Energieversorgung erforderlich sind. So zum Beispiel ist das Reisen aus dem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig machen sich viele Kund:innen zunehmend Gedanken über ihre persönliche Ökobilanz. Das Dilemma besteht darin, wie wir als Gesellschaft unseren derzeitigen Lebensstandard aufrechterhalten können, ohne die Umwelt zu schädigen. Unsere Strategie fokussiert sich daher unter anderem darauf, die Produktion und Vermarktung von nachhaltigen Kraftstoffen auszuweiten. Bei den nachhaltigen Flugkraftstoffen (SAFs) sind wir bereits auf einem guten Weg. Seit 2022 liefern wir bereits SAFs an Austrian Airlines in Wien, und mit der Lufthansa Group, Ryanair und Wizz Air unterzeichneten wir Absichtserklärungen über die Lieferung von SAFs. Dies ist ein Beispiel dafür, wie wir unseren neuen Purpose „Re-inventing essentials for sustainable living“ mit Leben füllen. Er ermöglicht es Verbraucher:innen, ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten und sogar zu erhöhen, und sorgt gleichzeitig für eine signifikante Reduktion der mit dem Flugverkehr verbundenen Emissionen.

Alfred Stern — Chief Executive Officer (portrait)

“Auch wenn die heutigen Energiepreise Unternehmen dazu verleiten mögen, so weiterzumachen wie bisher, wollen wir die Produktion fossiler Kraftstoffe schrittweise reduzieren und bis spätestens im Jahr 2050 vollständig einstellen.”

ALFRED STERN
Vorstandsvorsitzender

Welche Fortschritte wurden im letzten Jahr seit der Ankündigung der OMV Strategie 2030 erzielt?

Seit der Ankündigung der Strategie im März 2022 haben wir bei mehreren unserer strategischen Projekte Fortschritte gemacht. So führten wir beispielsweise einen Förder- und Injektionstest in einer bestehenden Bohrung durch, um das geothermische Potenzial in Österreich zu bewerten. Die ersten Testergebnisse waren vielversprechend, und die laufende Auswertung der geologischen Tests wird Aufschluss über die technische Machbarkeit und in weiterer Folge über die Rentabilität der geothermischen Energie für die Wärmeversorgung der Wiener Bevölkerung geben. Weitere Investitionen wurden in die Installation von Photovoltaikpaneelen in der Nähe unserer Anlagen getätigt, damit wir mit erneuerbarer Energie arbeiten können. Wir sind auch wichtige strategische Partnerschaften eingegangen. So unterzeichneten wir im November eine Absichtserklärung mit Wood über die kommerzielle Lizenzierung unserer ReOil®®-Technologie.

Neben den Fortschritten bei den einzelnen Geschäftsprojekten haben wir auch damit begonnen, eine solide Grundlage zu schaffen, auf der die wichtigsten Elemente unserer Strategie aufbauen können. Wir verankern zunehmend die Nachhaltigkeit in unserer Organisation, indem wir beispielsweise eine eigene Innovations- und Technologieabteilung geschaffen haben, die strategische Nachhaltigkeitsprojekte unterstützen wird. Wir haben auch unsere Investitionsrichtlinien zur Integration von -Kriterien aktualisiert, um Investitionen in Projekte zu erleichtern, die mit unseren Klimazielen übereinstimmen. Und nicht zuletzt – und das ist meiner Meinung nach sehr wichtig und ein laufender Prozess – stellen wir sicher, dass unsere Mitarbeiter:innen für die künftigen Chancen, die sich aus der neuen Strategie ergeben, entsprechend qualifiziert sind. Wir haben zum Beispiel vor Kurzem eine konzernweite Online-Lernplattform eingerichtet, auf der sich unsere Mitarbeiter:innen über verschiedene relevante Nachhaltigkeitsthemen informieren können. Im Anschluss an die Einführung unserer Strategie hielten wir auch eine spezielle Lernwoche über die Kreislaufwirtschaft ab. Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter:innen für die Aufgaben der Zukunft gut gerüstet sind und sich mit in unserer neuen strategischen Ausrichtung identifizieren.

Die Umsetzung der Strategie 2030 und die Initiative zur Schulung der Mitarbeiter:innen klingt vielversprechend. Welche der Herausforderungen des Jahres 2022 hat Sie persönlich berührt?

Neben der verheerenden humanitären Krise, die sich 2022 in der Ukraine abspielte und deren Auswirkungen weltweit zu spüren waren, haben mich die Berichte über angebliche Menschenhandelspraktiken durch unsere Vertragsunternehmen auf der Baustelle unserer Propan-Dehydrierungsanlage in Kallo, Belgien, am meisten berührt. Das war für unsere Mitarbeiter:innen und für mich persönlich unglaublich schockierend und eine ernüchternde Erinnerung daran, dass es auch hier in Europa zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann und immer wieder kommt. Es war auch eine eindringliche Erinnerung daran, dass wir bei unserer Konzentration auf viele spannende neue nachhaltige Technologien und Produkte nicht die Notwendigkeit aus den Augen verlieren dürfen, unsere Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu überwachen, Risiken und Auswirkungen laufend zu bewerten und zu mindern und modernste Due-Diligence-Verfahren einzuführen. Dieser Vorfall war zwar zutiefst besorgniserregend, hat uns aber auch dazu veranlasst, unsere Sorgfaltspflicht in unseren Beziehungen zu Vertragsunternehmen weiter zu verstärken, beispielsweise durch vermehrte Stichprobenkontrollen, die konsequente Überprüfung von Arbeitsgenehmigungen und intensivere Schulungen. Und in den letzten Monaten haben wir unsere Menschenrechts-Grundsatzerklärung überarbeitet und genehmigt. In ihr sind unsere Menschenrechtsverpflichtungen und unsere diesbezüglichen Erwartungen an Vertragsunternehmen wesentlich detaillierter dargelegt als je zuvor.

Sie sind ein hervorragendes Vorbild für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und im Privatleben. Welche andere Dimension der Nachhaltigkeit ist Ihrer Meinung nach ein wesentlicher Bestandteil Ihres Lebensstils?

Wir haben kürzlich ein altes Haus renoviert, in dem wir jetzt wohnen. Für ein modernes Energiemanagement haben wir erstens durch den Einbau der besten verfügbaren Wärmedämmung den Energieverbrauch reduziert. Und zweitens beheizen und kühlen wir unser Haus mit einer effizienten Wärmepumpe in Kombination mit oberflächennaher Geothermie. Dies ist ein großartiges Beispiel für „Re-inventing essentials for sustainable living“.

ESG
Environmental, Social, and Governance; Umwelt, Gesellschaft und Governance